Mit BGM COVID-19 die Stirn bieten – Interview mit Prof. Dr. Nürnberg
Prof. Dr. Volker Nürnberg lehrt seit 2011 Betriebliches Gesundheitsmanagement an der Hochschule für angewandtes Management in Erding, TU München und ist Advisory Partner und Leiter des Fachbereichs Gesundheitswirtschaft der BDO Prüfungsgesellschaft (ehemals war er Leiter des Health Managements bei der Mercer Deutschland GmbH). mesana hat mit ihm über Konsequenzen für das BGM in Zeiten von SARS-CoV-2 und das BGM der Zukunft gesprochen.
Herr Prof. Nürnberg, wir freuen uns, dass Sie sich die Zeit für unser Gespräch nehmen. BGM wird durch die COVID-19-Pandemie mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Welche Auswirkungen hat die aktuelle Unsicherheit auf das BGM?
Zur Umsetzung und Bewältigung der unternehmensinternen Aktionspläne gegen COVID-19 werden heute alle Ressourcen der Verantwortungsträger anderweitig genutzt. Es kommt bereits zu Einschnitten hinsichtlich gesundheitsfördernder Maßnahmen in Unternehmen und Betrieben.
Können Sie das etwas konkretisieren?
Klassische Maßnahmen, wie Vor-Ort-Veranstaltungen und beispielsweise Gesundheitstage oder Workshops, werden storniert. Auch etablierte Gesundheitsscreenings vor Ort sind massiv betroffen. Hinzu kommt, dass in bestimmten Branchen die Mitarbeiter für BGM-Maßnahmen nicht mehr erreichbar sind. Dies kommt vor allem durch Homeoffice oder Kurzarbeitszeitmodellen. BGM-Systeme, die sich auf Präsenzveranstaltungen stützen, kommen dadurch komplett zum Erliegen. Nachhaltig ist das nicht. Daher geht es darum, BGF am Leben zu halten.
Kann Gesundheit im Betrieb in Krisenzeiten überhaupt eine Rolle spielen?
Definitiv! Denn nach wie vor gilt: Körperliche und psychische Gesundheit wirkt sich positiv auf Resilienz und Immunsystem aus. Unternehmen und Mitarbeiter profitieren davon gleichermaßen. Durch BGM-Maßnahmen, die im Homeoffice ankommen, können Unternehmen in der Krise ein positives Signal an die Belegschaft senden: Uns ist wichtig, dass Ihr gesund bleibt. Wir unterstützen Euch dabei. Man muss traditionelle Strukturen und Herangehensweisen allerdings auf die neue Situation anpassen.
Unternehmen können in der Krise ein positives Signal an die Belegschaft senden: Uns ist wichtig, dass Ihr gesund bleibt. Wir unterstützen Euch dabei.
Wie kann BGF in dieser Krise finanziert werden?
Das Präventionsgesetz hat hier solide Grundlagen geschaffen. In der nächsten Zeit werden Krankenversicherer wahrscheinlich maßgeblich das BGM stützen.
Wie kann Gesundheitsmanagement während der Pandemie am Leben gehalten werden?
Entscheidend hierfür ist, die Stimmung innerhalb der Belegschaft und die damit verbundene Kommunikation zum Thema Gesundheit im Betrieb weiter aufrecht und positiv zu halten. Gemeint ist damit in der Krise auch positive, lösungsorientierte Gesundheitsthemen zu platzieren. Dazu müssen Maßnahmen angeboten werden, die für Mitarbeiter auch zu Hause funktionieren.
Ist es für Unternehmen sinnvoll, gerade jetzt in Gesundheitsförderung zu investieren?
Gute Regenerationsfähigkeit und ausreichend Schlaf sind für ein starkes Immunsystem eine notwendige Grundlage. Neuste Erkenntnisse aus dem Forschungsbereich der Psycho-Neuro-Immunologie zeigen, dass körperliche und psychische Gesundheit nachweislich ein gut funktionierendes Immunsystem implizieren. Ein dezentrales BGM, das auch im Homeoffice ankommt, stärkt also das Immunsystem der Mitarbeiter und lenkt etwas von der Krise ab. Natürlich müssen sich Unternehmen fragen: Welche BGM-Maßnahmen sind noch umsetzbar, ohne meine Fürsorgepflicht zu verletzen?
Gute Regenerationsfähigkeit und ausreichend Schlaf sind für ein starkes Immunsystem eine notwendige Grundlage.
Danke für Ihre Einschätzung zum Status Quo. Welche Anforderungen sollte ein BGM-Konzept Ihrer Meinung nach erfüllen, damit es jetzt und Zukunft krisensicher ist?
Wesentliche BGM-Komponenten könnten möglichst ohne Präsenzbedarf abgebildet werden. Mit Komponenten meine ich die Bedarfsermittlung, Sensibilisierung, Umsetzung und Evaluation, die auch das Präventionsgesetz fordert. Dies eröffnet auch in den Bereichen Sensibilisierung und Evaluation Chancen für digitale Lösungen. Die Umsetzung kann durch digitale Gesundheitskurse sowie Webinare und Onlinecoachings erfolgen. Gesundheitsscreenings sind eine zentrale Komponente für objektive Bedarfsermittlung in Unternehmen. Hier sind dezentrale Screening-Lösungen gefragt, die auch bei Mitarbeitern zu Hause funktionieren. Im Idealfall leitet ein Screening bedarfsgerecht auf individuell passende digitale Interventionen der BGF weiter.
Wo sehen Sie in dem Bereich Chancen und Risiken?
Wir haben im Vorfeld über das Potenzial von dezentralen Screening-Lösungen gesprochen. Die daraus resultierenden statistischen Ergebnisse liefern für die Verhältnisprävention eine objektive Entscheidungsgrundlage für verhältnispräventives Handeln. Anhand dieser Ergebnisse können auch in Krisenzeiten passende digitale Maßnahmenpakete greifen. Da die Gefahr besteht, dass ortsgebundene BGM-Systeme massiv unter der Pandemie leiden, schützt „teleBGM“ bereits geleistete Investitionen in Mitarbeitergesundheit.
Wir danken Ihnen für die Perspektive zur Rolle des BGM in Zeiten des neuen Coronavirus.
Prof. Dr. Nürnberg arbeitet derzeit an einer statistischen Umfrage bei Unternehmen und Krankenversicherungen. Melden Sie sich für weitere Informationen zu dezentralem BGM gerne für unseren Newsletter an.